Bewährungshelfer*in
Strafaussetzung zur Bewährung ist der Versuch, Jugendlichen und Erwachsenen, die zu Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, die Vollstreckung der Strafe oder der Reststrafe zu ersparen. Die Verurteilten* sollen in einer Bewährungszeit seinen Willen zu straffreiem Verhalten unter Beweis stellen und gleichzeitig die ihm vom Gericht auferlegten Auflagen und Weisungen erfüllen. Bei erfolgreichem Abschluß der Bewährungszeit wird die Strafe erlassen.
Entwicklung der Bewährungshilfe
In der jüngeren Geschichte übernahm erstmals im Jahre 1841 in Boston/USA ein "Bürge" die Betreuung eines Verurteilten, dessen Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden war. Im Jahre 1953, nach dreijähriger Erprobungsphase, begann in der Bundesrepublik Deutschland der Aufbau der Bewährungshilfe (BGBl. 1 S.735 ff und 751 ff vom 4.8.53).
Gesetzliche Grundlagen
Im Jugendgerichtsgesetz (§§ 21 f JGG.) und im Strafgesetzbuch (§§ 56 f StGB) werden die Aufgaben der Bewährungshilfe in Umrissen dargestellt. Außerdem haben die Bundesländer in Gesetzen und Verwaltungsvorschriften weitere Einzelheiten der Tätigkeit geregelt.
Anstellungsbehörden
In den meisten Bundesländern sind die Bewährungshelfer*innen bei der Justiz angestellt. Anstellungsbehörde ist in der Regel der Präsident des Oberlandesgerichtes, in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind es unterschiedliche senatorische Dienststellen.
Berufliche Voraussetzungen
Voraussetzung für die Einstellung als hauptamtlicher Bewährungshelfer*in ist in allen Bundesländern eine abgeschlossene Ausbildung als Dipl. Sozialarbeiter*in / Dipl. Sozialpädagog*in mit staatlicher Anerkennung. Die Ausbildung erfolgt an Fachhochschulen. Da Bewährungshelfer*innen straffällige Menschen zu betreuen haben, die zum Teil sehr schwierig und gefährdet sind und nicht seiten in ihrem Leben erhebliche Schädigungen erfahren und ungünstige Entwicklungen genommen haben, müssen sie besonders über Berufserfahrung, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis verfügen. Es ist für ihre Tätigkeit wichtig, dass sie die für ihren Beruf notwendigen sozialpädagogischen, psychologischen und soziologischen Erkenntnisse überblicken und richtig anwenden kann, ebenso wie die rechtlichen Gegebenheiten. Fähigkeiten zur Kontaktgewinnung und zu hilfreicher Beratung werden von ihnen erwartet und sie müssen in der Lage sein, den Gerichten klare Beurteilungen der jeweiligen Persönlichkeit und ihrer Situation zu geben.
Laufbahn und Besoldung
Die Bewährungshelfer*innen sind zum überwiegenden Teil und in der Mehrzahl der Bundesländer Beamt*innen des gehobenen Dienstes (Laufbahn: Sozialinspektor -Sozialoberamtsrat) und zu einem kleinen Teil Angestellte des öffentlichen Dienstes.
Dienstaufsicht - Fachaufsicht
Mit der Wahrnehmung der Dienstaufsicht ist in der Regel Präsident*innen des jeweiligen Landgerichtes oder ein von diesen beauftragten richterlichen Dezernent*innen betraut. In einzelnen Bundesländern gibt es abweichende Regelungen. Der Landgerichtspräsident wirkt bei der Einstellung von Bewährungshelfer*innen, der Versetzung und der Entlassung aus dem Amte mit. Ihnen obliegt die dienstliche Beurteilung und der Vorschlag für Beförderungen. Ihre Dienstaufsicht umfaßt im Grunde alle Bereiche des Dienstes, von der Einrichtung der Diensträume, der Materialausstattung, den Regelungen des Schreibdienstes bis zu den Dienstzeiten, Sprechstunden und Urlaubsgesuchen, sowie der allgemeinen Wahrnehmung der Aufgaben und der Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Stellen. Ausgenommen von der Zuständigkeit des Landgerichtspräsidenten ist die Fachaufsicht. Sie wird von den Richter*innen wahrgenommen, die im Einzelfall für den jeweiligen Proband*innen im Rahmen der Bewährungszeit zuständig sind. Die Fachaufsicht führenden Richter*innen überwachen die Durchführung der Betreuung, die Einhaltung der Bewährungsauflagen und die Erstattung der Berichte durch die Bewährungshelfer*innen. Die Bewährungsrichter*innen setzen die Bewährungsauflagen fest oder verändern diese. Sie können die Bewährungszeit verlängern oder verkürzen und die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen. Die Richter*innen bestellen die Bewährungshelfer*innen. Sie können ihnen für ihre Tätigkeit Anweisungen erteilen (§ 56 (4) StGB).
Berichterstattung
Bewährungshelfer*innen berichten den für die jeweilige Bewährungsaufsicht zuständigen Richter*innen in Zeitabständen, die die Richter*innen bestimmen. Gröbliche und beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilen sie dem Gericht mit. Bewährungshelfer*innen entscheiden darüber, welche Einzelheiten der Lebensumstände der Proband*innen*1) den Richter*innen mitzuteilen sind. Manche Richter*innen und Bewährungshelfer*innen vertreten die Meinung, dass in den Berichten nur wenige Fakten anzuführen sind, z. B. Wohnung, Arbeit, Finanzverhältnisse, Straftaten, Gefährdungsfaktoren. Andere Richter*innen und Bewährungshelfer*innen halten demgegenüber eine ausführliche Berichterstattung für notwendig, weil die Richter*innen umfassend über das Verhalten der Verurteilten und die Arbeit mit ihnen unterrichtet werden müssen und nur so eine gerechte richterliche Entscheidung sichergestellt werden kann.
Zusammenarbeit mit Behörden und Einrichtungen
Die vielfältigen Probleme, denen sich die Proband*innen gegenüber sehen, machen es unverzichtbar, dass die Bewährungshelfer*innen mit einer Vielzahl von Behörden und Einrichtungen zusammenarbeiten, vor allem, um den Proband*innen Wege zu ebnen. Hierbei werden sie im allgemeinen nur mit dem Einverständnis der Betreuten handeln. Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zu beachten. Zu nennen sind neben Gericht, Staatsanwaltschaft, Strafvollzug und Polizei vor allem Sozialämter, Jugendämter, Ordnungsämter, Ausländerämter, freie Wohlfahrtsverbände, Rechtsanwält*innen, Gläubiger*innen, Vermieter*innen, Angehörige der Proband*innen und viele andere. Die auf diese Weise zu leistenden Hilfen haben oft für die Resozialisierung der Proband*innen die allergrößte Bedeutung.
Regelungen in den Dienststellen und durch die Dienstkonferenz
Wie schon unter ”Dienstaufsicht / Fachaufsicht” ausgeführt, fallen in vielen Bundesländern alle Fragen des Dienstbetriebes und der Verwaltung in die Zuständigkeit der jeweiligen Landgerichtspräsident*innen, soweit sich nicht die Oberlandesgerichtspräsident*innen die letzte Entscheidung vorbehalten haben. In einigen Bundesländern, insbesondere den Stadtstaaten, gibt es abweichende Regelungen und andere Kompetenzen. In einigen Bundesländern sind Bewährungshelfer*innen als Koordinator*innen eingesetzt, denen es obliegt, nach den bestehenden Verfügungen die Zusammenarbeit in den Bewährungshilfe-Stellen zu koordinieren. Nicht immer sind die Kompetenzen der Koordinator*innen klar definiert. Die Dienstkonferenz der Bewährungshelfer*innen hat in den Bundesländern verschiedene Bedeutung. Sie dient dazu, Fragen der Zusammenarbeit zu klären, Erfahrungen in der Betreuung auszutauschen und wichtige Entscheidungen vorzubereiten. Anweisungen für die Betreuung im Einzelfall kann die Dienstkonferenz nicht geben, da dies der Fachaufsicht vorbehalten ist.
Aufgabe der Bewährungshilfe und Ziel der Betreuung
Ziel und Aufgabe der Bewährungshilfe ist es, den Proband*innen Hilfestellung zur Lebensbewältigung zu geben und ihnen nach Möglichkeit vor neuer Straffälligkeit zu bewahren. Dies hängt sehr wesentlich davon ab, ob die Proband*innen in hinreichend stabilen Verhältnissen leben kann und ob sie eine Arbeit oder Ausbildung finden. Dem Versuch, ihnen hierbei weitgehende Hilfestellung zu geben, kommt deshalb große Bedeutung zu. Ferner ist es entscheidend, dass die Proband*innen ihre Lebensschwierigkeiten überwinden können, sich stabilisieren und zu einer normalen Lebensbewältigung finden. Auch dazu bieten Bewährungshelfer*innen ihre Hilfen an. Der Bereich der Beratung und Hilfe hat deshalb im Laufe der Jahre immer mehr an Bedeutung gewonnen. Das Gesetz verpflichtet aber auch die Bewährungshelfer*innen, die den Proband*innen auferlegten gerichtlichen Auflagen und Weisungen zu überwachen. Verstöße gegen Auflagen und Weisungen oder das Bekanntwerden einer neuen Straftat haben Bewährungshelfer*innen den zuständigen Bewährungsrichter*innen mitzuteilen.
Mit der Erfüllung der Auflagen sollen die Verurteilten Genugtuung für das begangene Unrecht leisten. Die Weisungen sollen ihre Lebensführung günstig beeinflussen. Unter den Bewährungshelfer*innen gibt es unterschiedliche Meinungen über den Wert und den Umfang der Auflagen und Weisungen. U. a. wird die Ansicht vertreten, die Richter*innen sollten es im Allgemeinen bei einigen wenigen Auflagen und Weisungen belassen. Im Rahmen der Führungsaufsicht kommt der Überwachung der Weisungen besondere Bedeutung zu, weil es sich hier um Proband*innen mit oft schwerer Vorbelastung handelt, bei denen die Prognose unsicher oder sogar ungünstig ist.
Methoden
In der Bewährungshilfe stehen das Einzelgespräch mit dem Proband*innen, der Hausbesuch und vielfältige Kontakte zu den Angehörigen und sonstigen Kontaktpersonen im Vordergrund. Manche Bewährungshelfer*innen führen Gruppenarbeit oder vertiefte Einzelfallhilfe durch. Wichtig ist es, den Proband*innen Wege zu anderen Behörden und Einrichtungen zu eröffnen, vor allem auch zu Spezialdiensten wie der Drogen- und Suchtberatung, Schuldenberatung, der beruflichen Fortbildung, Einrichtungen für psychisch Kranke und vielen anderen. In einem begrenzten Umfang führen auch Bewährungshelfer*innen seit vielen Jahren zielgerichtete Hilfen für bestimmte Proband*innengruppen durch (Projekte für Arbeitslose, Aggressionsbewältigung, Entschuldung von Proband*innen, etc.)
Betreuung der Proband*innen
Nach der Gerichtsverhandlung oder nach Verbüßung eines Teiles der Freiheitsstrafe werden die Verurteilten ggf. einer Bewährungshelfer*in zugeteilt und sollen mit diesen für die Dauer der Bewährungszeit zusammenarbeiten. Die Dauer der Bewährungszeit bestimmt das Gericht. Sie kann zwei bis fünf Jahre betragen. Die Bewährungshelfer*innen sind bestrebt, eine sachliche Zusammenarbeit mit dem Proband*innen zu erreichen und ein Vertrauensverhältnis zu gewinnen. Die Betreuten können jederzeit bei ihren Bewährungshelfer*innen vorsprechen, im Allgemeinen werden die Rücksprachen vereinbart. Sie können in der Anfangszeit wöchentlich, 14-tägig, und, wenn keine besonderen Probleme vorliegen, alle 4 Wochen stattfinden. Die Bewährungshelfer*innen beraten die Proband*innen in allen Lebensfragen und suchen ggf. zusätzliche Hilfen durch spezielle Dienste zu erschließen. Die Bewährungshelfer*innen werden praktisch durch die Proband*innen mit allen Problemen konfrontiert, die das Leben mit sich bringt. Sie müssen ihre Bereitschaft zur Hilfestellung deutlich machen und nach gangbaren Wegen suchen (z. B. bei Arbeitslosigkeit, Schulden- , Partnerschafts- und Eheproblemen, bei Kontaktschwierigkeiten, Suchtproblemen, Wohnungsnotständen, neuen Straftaten, Verzweiflung, Aggressionen, Analphabetismus, Minderbegabungen, Neurosen, psychischen Notständen, Psychosen und vielem anderen mehr).
Zur Bewältigung dieser Notstände müssen Staat und Gesellschaft den Bewährungshelfer*innen die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
Führungsaufsicht
Die Führungsaufsicht wurde 1975 eingeführt, weil der Gesetzgeber auch für Verurteilte mit erheblicher Vorbelastung und schwieriger oder sogar ungünstiger Persönlichkeitsstruktur eine Möglichkeit schaffen wollte, beim Vorliegen geeigneter Gegebenheiten eine Entlassung zur Bewährung möglich zu machen.
Forderungen der Bewährungshelfer*innen und ihrer Berufsverbände und Gewerkschaften
- Die Einführung eines "Sozialdienstes Justiz", der Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Gerichtshilfe und vielleicht sogar den Sozialdienst der Vollzugsanstalten umfasst, wird von der Mehrheit der Bewährungshelfer*innen und von ihren Berufsverbänden und Gewerkschaften abgelehnt. Die DBSH - Fachgruppe Bewährungs- und Straffälligenhilfe vertritt die Auffassung, dass eine derartige Behörde keineswegs die Gewähr für eine effektivere Arbeit mit den Klient*innen bietet, vielmehr muss eine Zunahme an bürokratischen Hemmnissen befürchtet werden. Die DBSH-Fachgruppe tritt für die Beibehaltung und den Ausbau der bisherigen Dienste Bewährungshilfe, Gerichtshilfe und Sozialdienst im Vollzug ein unter Verbesserung der Möglichkeiten zur Zusammenarbeit der einzelnen Dienste.
- Die Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelfer*innen hat sich dafür ausgesprochen, die Führungsaufsichtsstellen abzuschaffen und die Proband*innen der FA nur noch von den Bewährungshelfer*innen betreuen zu lassen.
- Von einigen Fachgruppen der Sozialarbeiter*innen im Vollzug und von Landesarbeitsgemeinschaften der Bewährungshelfer*innen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, wird die Regionalisierung des Strafvollzuges gefordert. Eines der Hauptanliegen ist es dabei, die Strafgefangenen möglichst nicht aus den familiären und sozialen Bezügen ihres Heimatgebietes herauszureißen.
- Die DBSH-Fachgruppe Bewährungs- und Straffälligenhilfe tritt seit Jahren dafür ein, dass der besonders hohen Arbeitslosigkeit der Straffälligen entgegengewirkt werden muss.
- Sie fordert ferner, die sozialen Lebensumstände der Straffälligen so zu verbessern, dass Rückfallgefahren vermieden werden.
- Die DBSH-Fachgruppe fordert, die hohe Fallbelastung der Bewährungshelfer*innen abzubauen, weil diese hohe Belastung oft eine wirkungsvolle Betreuung unmöglich macht. Eine Bewährungshelfer*in sollte nicht mehr als 45 Proband*innen betreuen.
*) Die zu Betreuenden werden im Gegensatz zum sonst üblichen Sprachgebrauch in der Sozialen Arbeit im allgemeinen nicht Klient*innen sondern Proband*innen genannt.