Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.

Infektionsgefahr und räumliche Enge: Online-Umfrage zeigt Sozialarbeiter*innen an der Belastungsgrenze

05.05.2020

Von: Fachbereich Migration und Flucht im Funktionsbereich Inklusion; Ansprechperson: Luca Gefäller (migration@dbsh.de)

Ob in Massen-Erstaufnahmen, in Sammelunterkünften oder in Wohngruppen für Geflüchtete – die Grundrechte der Bewohner*innen werden verletzt und Fachkräfte der Sozialen Arbeit kommen derzeit bedingt durch die Corona-Krise an ihre Belastungsgrenze. Dies zeigt eine Online-Umfrage zur gegenwärtigen Lage in Sammelunterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland. Die Umfrage wurde im Zeitraum vom 20. April bis zum 27. April 2020 vom Fachbereich „Migration und Flucht“ des „Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V.“ (DBSH) durchgeführt.

Ausgewertet wurden Rückmeldungen von 214 Fachkräften aus 14 Bundesländern, von denen die große Mehrheit in Sammelunterkünften mit 100-500 arbeitet. Eine „statistische Repräsentativität“ sei nicht gegeben, da die Umfrage auf freiwilliger Basis und mit dem Anspruch der zeitnahen Verfügbarkeit der Ergebnisse durchgeführt wurde. Der Fachbereich zieht aus den Rückmeldungen dennoch Schlüsse auf wichtige Problemlagen im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus und betont die besondere Betroffenheit der Bewohner*innen.

Keine Möglichkeiten den Mindestabstand zu halten, zu wenig Schutzausrüstung, nicht ausreichend Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und zum Umgang mit Infizierten: dies berichten die Befragten. Für Angehörige von Risikogruppen (Menschen über 60 und mit Vorerkrankungen) gebe es oft keine Möglichkeit des Schutzes. Kinder und Jugendliche hätten meist keine Räume, Ausstattung und Unterstützung, um ihre Schulaufgaben zu bewältigen. Es komme vermehrt zu Konflikten unter den Bewohner*innen aufgrund von Angst, Ungewissheit und Perspektivlosigkeit.

Fachkräfte berichten, dass sie vermehrt auch im Home-Office versuchen, die wichtigsten Betreuungsangebote aufrechtzuerhalten. Allerdings steige der Druck stetig, der Krankenstand in Teams steige seit der Pandemie und es gebe für die Mehrheit keine Kindernotbetreuung. Ein Zitat einer Fachkraft einer kleineren Sammelunterkunft in Brandenburg: Wir haben einige Corona-Fälle und befinden uns täglich in neuem Ausnahmezustand: Unterbringung, externe Quarantäne, […]. Ich fühle mich von meinem Träger, den Verantwortlichen im Landkreis/Gesundheitsamt im Stich gelassen.“

Aufgrund der erhobenen Informationen fordert der DBSH Verantwortliche bei Trägern, die Sammelunterkünfte betreiben, und Landesbehörden, die die Unterbringung von geflüchteten Menschen regeln (sowie ggf. das Bundesinnenministerium), dringend auf, das Folgende umzusetzen:

  1. Tragfähige Arbeitsbedingungen für Fachkräfte: realistische und berufsethisch vertretbare Aufgabenzuteilungen, Zugang zu Kindernotbetreuung, Supervision bzw. anderweitiger Ausgleich der besonderen Belastung.
  2. Infektionsschutz für alle: Besondere Schutzbedarfe durch Vorerkrankungen erheben und durch entsprechende Maßnahmen (Verlegung, Ermöglichung räumlicher Trennung) sicherstellen, dass alle Bewohner*innen sich schützen können, insbesondere Angehörige von Risikogruppen. Ausreichende Schutzausrüstung für Bewohner*innen und Fachkräfte bereitstellen.
  3. Vollumfängliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am Distanz-Unterricht: Unterstützung durch Hilfslehrpersonal, IT-Ausstattung und ruhige Räumlichkeiten, in denen der Mindestabstand eingehalten werden kann.
  4. Sicherstellung grundrechtskonformer räumlicher Kapazitäten: Wenn Infektionsschutz aller Bewohner*innengruppen und Bildungsbedarfe nicht zu realisieren sind, müssen solche Sammelunterkünfte aufgelöst werden, die die Einhaltung von Grundrechten nicht zulassen. Die Bewohner*innen müssen dezentral in Wohnungen oder zumindest kurzfristig in Hotels unterkommen.

Nähere Informationen und die Auswertung zur durchgeführten Online-Umfrage des Fachbereichs „Migration und Flucht“ des „Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.“ (DBSH) finden Sie hier.


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